Die Sichel 2

Die Sichel 2

Heft 2, Mai 2021/1. Jahr

Klicken, Greifen und Begreifen

Was man nicht angreifen kann, ist schwer zu begreifen. Wer der Disziplinargesellschaft entronnen ist, will sich digitaler Kontrolle auch nicht beugen. Tools bleiben dem suspekt, der ohne Taschenrechner sozialisiert wurde.

Der Redakteur der Sichel erinnert sich, dass er 1968 in den großen Pausen unter Aufsicht autoritärer Gymnasiallehrer in einem Schulhof noch im Kreis zu marschieren hatte. Im säkularisierten Klostergemäuer entstand jedoch, oszillierend zwischen Zuchthausatmosphäre und humanistisch-naturwissenschaftlichem Bildungsgut, innert kurzer Periode eine Brutstätte juveniler Putschgelüste, in Folge derer verstaubte Klassiker forsch durch zeitkritisches Schriftgut ersetzt wurden. Die sture Überzeugung, dass kein Smartphone je die Durchschlagskraft eines Druckwerkes erreichen wird, stammt aus dieser analogen Zeit. Der aktuelle Abdruck eines Textes von Plutarch kann den damals begangenen Frevel an den lateinisch-griechischen Klassikern nicht kompensieren.

Jeder Klick ist ein Ziegelstein für unser virtuelles Gefängnis. Die Pandemie zwängt auch die Alte Schmiede verstärkt ins Digitale. Den Substanzverlust, den Streamings von Lesungen und Konzerten bedeuten, beschreibt Ronald Pohl in diesem Heft. Wie die Digitalisierung die Rechte vorantreibt ist im Beitrag von Maik Fielitz und Holger Marks zu lesen und Albena Azmanova meint, dass die Linke es verabsäumt geeignete Makroalternativen im Gesellschaftlichen vorzugeben. Norbert Bolz stellt Grüne und Prepper als Antipoden in Bezug auf Weltuntergangsszenarien dar, Peter Strasser  zeigt mit heiterer Ironie, dass politische Korrektheit ein akademisches Seminar nicht unbedingt befeuert.

Mit all dem beliefern wir Sie in analoger Form, während unsere Veranstaltungen weiterhin nur digital zugänglich bleiben. Unsere neugestaltete Hompage alte-schmiede.at bietet einen Überblick über Gewesenes und Aktuelles, eine Auswahl von Filmaufzeichnungen aus Literatur- und Musikprogramm sowie alle 25 Folgen unserer Gesprächsreihe Nachtschicht. Analog oder digital: bleiben Sie uns gewogen!

Walter Famler

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