wiener vorlesungen zur literatur
»Poetiklehrstuhl! Poetik kommt von poieo, machen. Von poieo verstehe ich etwas. Haben Sie Lust, daß wir uns tätig der Poetik Lohensteins nähern?«
Mit einer ambitionierten zweiwöchigen Serie von Vorlesungen und Konversatorien zum Werk des Barockdichters Daniel Casper von Lohenstein eröffnete der deutsche Schriftsteller Hubert Fichte die Wiener Vorlesungen zur Literatur. Seit 1986 bieten diese Autor*innen nicht nur die Möglichkeit zu poetologischer Reflexion, sondern auch ein Forum, um verschiedene Aspekte der literarischen Tradition aus schriftstellerischer Sicht zu untersuchen und diese Untersuchungen mit literaturwissenschaftlichen Perspektiven zu verknüpfen. Das Veranstaltungsprofil entstand aus der Zusammenarbeit der Institutionen, die an der Entwicklung der Reihe beteiligt waren: der Alte Schmiede, dem Institut für Wissenschaft und Kunst und dem vom IWK beauftragten Schriftsteller Josef Haslinger.
Dokumentiert wurden die Wiener Vorlesungen zur Literatur bis 1996 in den Literaturzeitschriften wespennest und freibord, seither auch in weiteren wie Prokurist, kolik und manuskripte. Zu den zahlreichen aus den Vorlesungen hervorgegangen Buchpublikationen zählen etwa:
Oswald Wiener // Probleme der künstlichen Intelligenz (1990)
Ferdinand Schmatz // Sinn & Sinne. Wiener Gruppe, Wiener Aktionismus und andere Wegbereiter (1992)
Gert Hofmann // Das Thema kommt, verbeugt sich, sagt: Wie wär's? (1992)
Paul Wühr // Das Lachen eines Falschen. Wiener Vorlesungen zur Literatur (2002)
Josef Winkler // Das Zöglingsheft des Jean Genet (1992)
Robert Schindel // Gott schütze uns vor den guten Menschen. Jüdisches Gedächtnis – Auskunftsbüro der Angst (1995)
Josef Haslinger // Hausdurchsuchung im Elfenbeinturm (1996)
Ludwig Harig // Wer schreibt, der bleibt (2004)
Marie-Thérèse Kerschbaumer // Res publica – Über die öffentliche Rede in der Republik (2014)
Sabine Scholl // Nicht ganz dicht. Zu örtlichen Verschiebungen und Post-Literaturen (2015)
Einige der Wiener Vorlesungen wurden im Ausgaben »Der Hammer« dokumentiert, u.a.:
Sabine Scholl // Frauen schreiben Krieg (»Der Hammer 99«, Dezember 2018)
Barbara Köhler // Penelopes Gewebe als Zentralstruktur der Odyssee von Homer. (»Der Hammer 75«, Dezember 2015)
Zu den Vortragenden aus dem deutschsprachigen Raum gesellen sich auch internationale Autor*innen wie etwa György Dalos, Imre Kertész, István Eörsi und Péter Nadás aus Ungarn, José Emilio Pacheco aus Mexiko, Henri Meschonnic und Jaques Roubaud aus Frankreich, Michèle Rakotoson aus Madagaskar, Michael Hamburger aus England, Shu Ting aus der Volksrepublik China, Olga Sedakova aus Russland, Miodrag Pavlović aus Jugoslawien, Dževad Karahasan aus Bosnien, Inger Christensen aus Dänemark oder Lars Gustafsson aus Schweden.
Zitat: Fichte, Hubert: »Hubert Fichte warnt vor sich«. In: wespennest. zeitschrift für brauchbare texte und bilder, Nr. 63 (1986), S. 3.