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»Wie ein plötzlich verrückt gewordenes Insekt«

Blog, 6. September 2022
Der Kubaner Carlos A. Aguilera (* 1970) lebt in Prag und Barcelona, vor seinem Weg in die Diaspora zählte er zu den Mitherausgebern der Samisdat-Zeitschrift Diáspora(s) (1997–2002) und gehört damit einer Generation an, die in einer stark ideologisierten Atmosphäre auf ausländische Vorbilder wie unter anderem Thomas Bernhard, Ernst Jandl und Michel Foucault rekurrierte, um neue literaturästhetische Wege zu beschreiten. Bis heute arbeitet sich Aguilera in seinen Essays und Romanen an den Themen Staat und Macht ab. Gemeinsam mit der in Miami lebenden Legna Rodríguez Iglesias (* 1984) stellt er am 7. November aktuelle lyrische Arbeiten vor – vorab lesen Sie hier ein Gespräch zwischen Carlos A. Aguilera und dem Übersetzer Udo Kawasser aus dem Jahr 2004.

Kawasser: Der wohl wichtigste Grund, warum du Kuba verlassen musstest, war deine Mitarbeit an der Zeitschrift Diáspora(s). Welche Umstände führten zur Gründung der Zeitschrift und in welcher Form hast du daran mitgewirkt?
Aguilera: Die kulturelle und politische Engstirnigkeit des Landes, die fehlende Existenz einer ›wirklichen‹ Diskussion zwischen Intellektuellen und Staat, die Vereinnahmung des Raums der Kritik durch die kubanische Regierung haben uns dazu gebracht, 1997 die ›Zeitschrift‹ zu gründen und sie bis 2002 herauszugeben. Zu den Mitarbeitern gehörten Rolando Sánchez Mejías, Pedro Marqués de Armas, Rogelio Saunders, Ricardo Alberto Pérez, José Manuel Prieto, Ismael González Castaner und ich. Diaspora(s) war nicht so sehr eine Zeitschrift oder Textsammlung, sondern viel mehr eine Kriegsmaschine, eine Art Territorium, auf dem man anders denken konnte, jenseits aller endlosen Stereotype, aber auch jenseits der manichäischen Version Staat/korrigierte Fehler, nach der die Großzahl der Zeitschriften heute in Kuba ganz ›natürlich‹ funktionieren. Meine Mitarbeit gestaltete sich auf verschiedene Arten, als Autor durch die Publikation von Essays, Interviews, Erzählungen, Gedichten usf. und als Macher, denn ich stellte – mit Hilfe anderer Personen – alle Nummern her, die erschienen.

Kawasser: Man spricht oft von den Mitarbeitern der Zeitschrift als Gruppe Diáspora(s). Gab oder gibt es eine gemeinsame Ästhetik?
Aguilera: Nein, es gab keine gemeinsame Ästhetik. Aber Teile, die sich berührten. Dialoge. Aber keine ›Schublade‹, in die sich die verschiedenen Schreibweisen, die daran teilnahmen, stecken lassen würden. Jeder hatte (hat) einander entgegengesetzte Stile, verschiedene Arten zu denken-schreiben, und ich glaube, dass das die Zeitschrift interessant machte. Denn der Titel des gesamten Projekts bedeutete ja, sich in verschiedene Richtungen zu bewegen, Literaturen zu öffnenschließen.

Kawasser: Wenn man die Zeitschrift durchblättert, fällt einem auf, dass ausländische Autoren, darunter viele französisch- und deutschsprachige, eine große Rolle spielten. Es gibt Texte von Adorno, Deleuze, Derrida etc. und im persönlichen Gespräch mit dir tauchen immer wieder die Namen Bernhard und Robert Walser auf. Worauf ist diese starke Orientierung an ausländischen Autoren zurückzuführen?
Aguilera: Die kubanische Revolution hat sich nicht nur dadurch pervertiert, dass sie sich mehr als 40 Jahre an der Macht erhalten hat, sondern weil sie Anderssein mit Nationalismus, Identität mit Polizei verwechselt hat. Uns gegenüber anderen Traditionen/Schreibweisen zu öffnen, bedeutete nicht nur gegen das zu polemisieren (und das zu parodieren), was wir offensichtlich geerbt hatten: die kubanische Literatur des 19. Jahrhunderts, Orígenes, die Theorien über den engagierten Schriftsteller, den sozialistischen Realismus usf. Es war auch eine Weise, sich wieder in die Welt einzuklinken, die Schale zu zerbrechen, in die sie uns eingesperrt hatten. (Man muss hier einmal sagen, dass der teleologische Diskurs der Revolution dazu neigt, alles was draußen ist, als das Böse und alles was drinnen ist, als das Gute darzustellen). Deswegen publizierten wir in Diáspora(s) Bernhard, Sloterdijk, Brodsky, Jandl, um nur einige zu zitieren. Diese Texte herauszugeben bedeutete nicht nur in Breite diese Literaturen vorzustellen, sondern sie auch all dem entgegenzusetzen, was bis zu diesem Zeitpunkt innerhalb existierte, und auf andere Weise vorzugehen.

Kawasser: Wie kamt ihr an diese Texte heran, wo man in Kuba doch nicht einmal eine ausländische Zeitung kaufen kann, geschweige denn jedes Buch in den Buchhandlungen bekommt?
Aguilera: Auf die verrücktesten Arten: Entweder stahlen wir die Bücher auf der Internationalen Buchmesse in Havanna (wir schauten uns dabei immer in die Augen und erinnerten uns mit sanfter Stimme an Martís Ausspruch: Bücher stehlen ist nicht stehlen...) oder baten einen Freund oder großzügigen Touristen, dass er uns welche bei seiner Rückkehr nach Kuba mitbringe.

Kawasser: Bei mehreren Gelegenheiten hast du darauf hingewiesen, dass »in Kuba jede Zeitschrift den Restriktionen der Kulturpolitik des Landes unterworfen ist«. Wie gelang es euch von 1997-2002 acht Nummern herauszugeben und auf welche Schwierigkeiten seid ihr dabei gestoßen?
Aguilera: Wir stießen auf alle Schwierigkeiten, die man sich (in einem totalitären System nämlich) vorstellen kann. Von der Tatsache, dass wir keinen Computer zum Tippen der Texte hatten, bis zu den Drohungen des Staatssicherheitsdienstes, vom fehlenden Papier bis zu verwehrten Auslandsreisen oder abgelehnten Ausreiseanträgen. Diese Gratwanderung, glaube ich, gab uns Kraft. Die Aufgabe war nicht, gegen den Staat vorzugehen (wie könnte auch das Schreiben gegen den Staat vorgehen?), sondern zu ›denken‹, wie sich der Staat zu den Fiktionen, die ihn umgeben, verhält, und zu zeigen, wie er sie in Geiselhaft nimmt, wie er ihnen das Blut aussaugt. Aber auch, wie diese Fiktionen zur Tyrannei werden. Wie ich schon andernorts geschrieben habe: Es gibt nichts Korrumpierbareres als einen Schriftsteller und seine Fiktionen. Er steht immer dazu bereit, ›verkauft‹, erneut benutzt zu werden.

Kawasser: Die origenistische Tradition hat sich, wie Carlos M. Luis im Vorwort feststellt, »in eine der ideologischen Quellen der offiziellen Macht verwandelt«. Wie erklärst du dir diesen Prozess? Welches Verhältnis hast du zum Origenismus?
Aguilera: Meine Beziehung zu Lezama Lima und Orígenes ist polemisch, ›negativ‹. Einerseits denke ich, dass Lezama einer der größten kubanischen Schriftsteller aller Zeiten ist, d. h. von all denjenigen, denen es gelang, einen wirklich komplexen Kosmos in der Literatur zu erschaffen. Einer, dem es am besten gelungen ist zu roden. Andererseits glaube ich, dass die origenistischen Mythen (zum Teil von Lezama und Cintio Vitier selbst aufgebracht) lächerlich und reaktionär sind: Kuba als auserwähltes Land oder Ort der Erlösung, die Poesie als Inkarnation der Geschichte, das Kubanische, die Suche nach einem Ursprung, der alles ›erhellt‹ ... Daraus erklärt sich, dass sie jetzt nach verschiedenen Etappen der Gleichgültigkeit, Verneinung, Erstarrung für den kubanischen politischen Fundamentalismus benutzt werden (so wie man Mäuse in einem Zirkus verwendet) und Teil eines gewissen öffentlichen Erscheinungsbilds sind. Das ist Teil der Logik despotischer Regime: Um zu erreichen, was sie wollen, bedienen sie sich aller Dinge. Sogar jener, die sie selbst erdrückt haben.

Kawasser: Inzwischen hat sich der Titel der Zeitschrift in das Schicksal seiner Mitarbeiter verwandelt. Gibt es noch Diáspora(s)-Autoren in Kuba?
Aguilera: Nein, die Zeitschrift ist mit meiner Ausreise aus Kuba gestorben. Zuvor hatten schon Rolando, Ricardo (der aber wieder aus Brasilien zurückkehrte) und Rogelio die Insel verlassen, nach mir Pedro, der nun in Italien ist.

Kawasser: Wie hat sich die Situation in Kuba seit deinem Weggang vor eineinhalb Jahren weiterentwickelt?
Aguilera: Die Lage hat sich verschlechtert, wenn man von Verschlechterung in einem Land sprechen kann, dessen Regierung Tausende Menschen erschossen, eine der besten Ökonomien Lateinamerikas aus dem Jahr 1959 zugrunde gerichtet, Konzentrationslager für Homosexuelle, Künstler oder andere Leute eingerichtet oder mehr als 10 Prozent der Bevölkerung in die Emigration gezwungen hat, um nur von ein paar, international anerkannten Tatsachen zu sprechen.
Das beste Beispiel für das, was ich sage, ist, dass Kuba im vergangenen März 75 Intellektuelle (Dichter, Journalisten, Bibliothekare usf.) mit Haftstrafen bis zu 28 Jahren einsperrte, deren Schuld allein darin bestand, ›anders-zu-denken-als-das-kubanische-Regime-will-dass-man-denkt‹ und selbstverständlich, das auch noch laut zu sagen. Zu diesem Zweck konstruierte die Regierung die unwahrscheinlichsten Beweise der Welt (Beweise, die überall sonst nur Lachen hervorrufen würden, wie es auch von der Öffentlichkeit kritisiert wurde) und exekutierte 3 Personen, weil sie in die USA gelangen wollten. Das ganze Theater der Macht steht im Dienst der Unterdrückung und der Einschüchterung. Das ganze Theater der Macht im Dienste der ›Macht‹.

Kawasser: Was bewog dich, schließlich aus Kuba wegzugehen? Wie konntest du ausreisen und wie gelangtest du schließlich nach Graz?
Aguilera: Das Fehlen einer Zivilgesellschaft, eines Raums in dem die verschiedenen Stimmen, in medias res publica in einen Dialog treten konnten, aber auch die Angst, der Mangel, die Zensur führten dazu, dass ich ein Stipendium, das mir der deutsche PEN-Club in Bonn anbot, annahm und ausreiste. Andererseits muss man auch klarstellen, dass, obwohl Diáspora(s) eine ›literarische‹ Zeitschrift war, oder zumindest in der kleinen Welt der Literatur zu funktionieren versuchte, eine politische Funktion hatte. Das bedeutete, von anderen Dingen zu sprechen, als der Staat will. Und das wurde dann zu gefährlich, denn es ist in Kuba verboten Zeitschriften zu machen, die nicht direkt vom Staat verschlungen werden. (Es gibt ein Gesetz, welches eine Mindeststrafe von 10 Jahren Gefängnis vorsieht.) Das hieß auch, dass wir nur so lange handeln konnten, wie sie es wollten. Sie hatten (haben) alle Rechte und konnten die Guillotine jeden Moment niedersausen lassen. Es ist das ewige Spiel zwischen Illusion und Gesetz – etwas das Kafka sehr gut beschreiben konnte –:  Du kannst nur dann um das Schloss herumgehen, wenn du weißt, dass du überwacht wirst, du wirst nur dann aus dem Schloss hinaus können, wenn du weißt, dass du es betrittst.
Nach Graz gelangte ich nach einem Jahr in Deutschland, mit einem unveröffentlichten Roman und vielen Projekten. Zum Glück habe ich hier Aufnahme und einen Platz gefunden. Ein Territorium, wie die römischen Philosophen schrieben.

Kawasser: Du selbst hast an einer Stelle gesagt, dass ›die Macht‹ das zentrale Thema deiner schriftstellerischen Arbeit ist. Worin besteht für dich die Aufgabe des Schriftstellers?
Aguilera: Also, ich glaube nicht an eine Aufgabe-des-Schriftstellers. Ich glaube vielmehr an Schriftsteller ohne Aufgabe. An Schriftsteller, die nicht jeden Tag schreiben, sondern sich Zeit nehmen zu verdauen. Die sogar ›Probleme‹ mit der Institution Literatur haben, die sie nicht völlig akzeptieren, die sich ständig Fallen stellen, um auszuscheren und neue Wege zu erfinden, eine Lichtung, wie Heidegger sagte.

Kawasser: Gibt es einen Unterschied unter einem autoritären Regime zu schreiben oder in einer demokratisch-kapitalistischen Gesellschaft?
Aguilera: Von einem Unterschied zu sprechen, ist sehr schwierig. Was ich sagen kann, ist, dass man unter einem autoritären Regime kein Individuum, keine Person mehr ist. Man verliert jeden Illusionshorizont, und das lässt einen anders funktionieren, Dinge tun, die ›normale‹ Menschen nicht machen. Außerdem hat man ein bestimmtes Bewusstsein davon, dass man nur eine Ratte ist. Und wie wir schon wissen, eine Ratte bleibt immer eine Ratte, das Einzige, was sie tun kann, ist das Spiel zu spielen oder sich zu verstecken (das heißt, ihre Gedanken nicht öffentlich zu zeigen), ihre Notdurft zu verrichten.

Kawasser: Wenn man deine Texte liest, zum Beispiel Mao oder Los Paraísos de Cartón fällt einem auf, dass China eine herausragende Rolle in deinem poetischen Imaginarium spielt. Wie erklärt sich diese starke Gegenwart Chinas in deiner Literatur, aber auch jener vieler deiner kubanischen Zeitgenossen?
Aguilera: China nimmt einen zentralen Platz in der Vorstellungswelt des Okzidents ein. Es ist ein NichtLand, ein radikal Anderes, eine Lücke. Fast alles, was wir von China wissen, reduziert sich auf Stereotype. Das Wichtigste für mich bei diesem Buch war nicht wirklich China (dieser Ort voller unverständlicher Menschen, wie Gombrowicz sagen würde), sondern die Art und Weise, wie der Westen sich aller Dinge bemächtigt, um Fiktionen zu konstruieren, die Art und Weise, wie er vereinfacht und radikalisiert.  Deswegen ist es nicht so sehr ein Buch über China (obwohl es auch das ist, vor allem über dieses völlig heruntergekommene China, zu dem ich in Kuba Zugang hatte), als eines über den westlichen Blick, dieses Auge im Dienste der Karikatur und der Paranoia.

Kawasser: Inwiefern spielt da deine eigene teilweise chinesische Herkunft eine Rolle?
Aguilera: Vielleicht hat sie mich beeinflusst, ich weiß es nicht. Von der einstigen Einwanderung aus China ist nichts geblieben, nur das chinesische Viertel mit einigen unaussprechlichen Namen. In Wirklichkeit sind alle Chinesen bei der Ankunft der Revolution ausgewandert. Kein einziger kleiner Chinese ist geblieben.

Kawasser: Nur wenige Länder sind in der ganzen Welt mit ihren Stereotypen so präsent wie Kuba. Da sind einerseits die prärevolutionären Stereotype, die nun wieder zu neuen Ehren kommen, wie Rum, Zigarre, heiße Frauen und tropische Strände und auf der anderen Seite die revolutionären Bilder, wie jenes des Ches mit Baskenmütze, der ewigen bärtigen Revolutionäre und des Davids Kuba, der dem Goliath USA die Stirn bietet. Dank des Films von Wim Wenders entdeckte die westliche Welt die kubanische Musik wieder und orchestrierte damit den Ausklang des katastrophenreichen 20. Jahrhundert. Welchen Unterschied siehst du in der inneren und äußeren Wahrnehmung von Kuba? Wie erklärst du dir diese kubanische Welle, die über die ganze Welt geschwappt ist?
Aguilera: Das Ganze ist sehr kompliziert, denn es gibt Stereotype in alle Richtungen. Zum einen jene, welche die kubanische Regierung exportiert, völlig reaktionäre oder touristische Stereotype, die dazu gemacht wurden, um ›Kunden‹ zu kaufen und Geld zu bringen und welche die Wahrheit verunstalten, zumindest die Wahrheit, die einer Tag für Tag in den Straßen Kubas erlebt. Andererseits gibt es jene, welche die Leute in Kuba haben, eine Mischung aus offiziellen Banalitäten und privaten Klischees, die den meisten nur dazu dienen, zu überleben, nicht aber um (sich) irgendetwas zu erklären. Schließlich gibt es die, welche außerhalb Kubas existieren, deren Intensität je nach Ort, Person, Klima und Regierung variieren. Eine Karte aller dieser Unterschiede zu zeichnen ist extrem kompliziert, denn das große Stereotyp bestünde ja darin, alle die Feinheiten zu banalisieren, die hereinspielen, sie einzuebnen und das ist etwas, was jede Macht anstrebt.
Ich glaube, dass diese ›kubanische Welle‹ sich zwei Faktoren verdankt. Einmal der Nostalgie der Postachtundsechziger, die noch immer durch die Welt geistert. Eine Nostalgie, die alle Arten von Utopien oder politischen Delirien ermöglicht (und wir wissen schon, was beides hervorgebracht hat). Zweitens, einer Art ›Kapital‹, das alles, was von der Insel kommt (dank der Tatsache, dass es ein großes Laboratorium ist), in etwas Anpassbares an der idyllischen Grenze jedes Menschen verwandelt, diese Art Notwendigkeit, den anderen in etwas Interessanteres zu verwandeln, als er in Wirklichkeit ist.

Kawasser: Dein Aufenthalt in Deutschland schlug sich im Text Aufzeichnungen für eine Reise nach D. nieder. Woran arbeitest du im Moment? Welche Projekte bereitest du gerade vor?
Aguilera: Eine Anthologie über die Beziehung Intellektuelle – Staat in Kuba, für die ich 10 kubanische Essayisten innerhalb und außerhalb der Insel vereinen möchte, was ermöglichen soll, verschiedene Epochen der Revolution zu untersuchen sowie die komplexen Realitäten, die sie schuf. Dann eine Serie von Dossiers über kubanische Literatur in verschiedenen deutschsprachigen Zeitschriften. Einen Roman über afrikanische Kaiser, Diktaturen usf. als eine Art Mikrokosmos, obwohl es zu Letzterem, um die Wahrheit zu sagen, bisher nur einige Notizen gibt. Noch bin ich nicht in den Pool gesprungen, wie Lawrence in Bezug auf Melville schrieb.

Kawasser: Du verfasst nicht nur Lyrik und Prosa, sondern kommentierst auch die Entwicklungen in Kuba mit scharfsinnigen und polemischen Aufsätzen, die in den besten Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht werden, so etwa in der Frankfurter Rundschau oder der exilkubanischen Zeitschrift Encuentros in Spanien. Unter welchen Bedingungen könntest du dir eines Tages eine Rückkehr nach Kuba vorstellen? Gibt es in Kuba Voraussetzungen, unter denen sich eine Art Zivilgesellschaft entwickeln kann, die einen demokratischen Wechsel unterstützen könnte?
Aguilera: Nein, es ist alles verwüstet. Für eine Rückkehr müsste diese Zivilgesellschaft existieren, von der du sprichst. Es müsste einen Ort geben, an dem erneut eine Diskussion, ein Dialog möglich wären. Es müsste Demokratie geben, natürlich unter den Anführungszeichen, unter denen sie immer steht. Das bedeutet, es müssten sich viele Dinge ändern, so viele, dass es fast besser ist, weiter seine Kreise durch die Welt zu ziehen, wie ein Insekt, das plötzlich verrückt geworden ist.




das Interview erschien unter dem Titel »Wie ein plötzlich verrückt gewordenes Insekt«. Ein Gespräch zwischen Carlos A. Aguilera und seinem Übersetzer Udo Kawasser in: Die Chinamaschine, Steirische Verlagsgesellschaft, Graz 2004, S. 13-22.

Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung.