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Alpensprache Rohrmoos
Rohrmoos als glücklicher Ferienort Friederike Mayröckers und Ernst Jandls von den späten 1960er bis zu den 1980er Jahren wird im Werk der beiden Dichter mehrmals evoziert. Idyllische Alpenlandschaften sind mit diesem Ort verbunden, aber auch Szenen des Alltags eines Paars, die nicht selten melancholisch klingen. In Rohrmoos verfassten Friederike Mayröcker und Ernst Jandl Gedichte und das gemeinsame Hörspiel »Spaltungen« (1969). So entsteht ein Dialog zwischen beiden Werken, zwischen den Texten und dem Ort, eine »Alpensprache«, die Frieda Paris und Christoph Szalay mit ihrer Performance fortsetzen.
Aurélie Le Née
Vielleicht ein
Bild von Himmel
und
Schwimmbecken.
Vielleicht ein
Bild von
drinnen.
Vielleicht ein
Bild von zwei Personen,
Menschen stehen
und draußen.
Vielleicht ein
Bild von Taube
und draußen.
Vielleicht ein
Bild von einer Person
und draußen.
Vielleicht ein
Bild von Blume
Natur und Baum.
Vielleicht ein
Bild von drinnen.
Vielleicht ein Bild von
draußen
und Baum.
Vielleicht ein Bild
von einer Person
und Baum.
Wie entgegen einem Vielleicht arbeiten?
In Rohrmoos bin ich gegangen und gewandert, allein
Friederike Mayröcker, der Standard, 20.12.2019
Während wir: wanderten zwischen Archiv und Gedicht, vor Ort und digital
zwischen poetischen Verfahren und Weiterschreiben.
Wobei sie nicht wanderte, nicht in R., nicht in Wien, aber versuchte den Berg
hinauf zu kommen, hinunter
während er, dort zu Haus
leichtfüßig und ausgestattet hinauf, hinunter
diesen Fußweg nach Rohrmoos.
rohrmoos, der ort, zieht durch mein leben sich
als sommer, derer jeder keinem glich
schreibt Jandl in den skizzen, Sommer '83,
und wie oft du aus diesen Landschaften läufst –
dem Gneis, Glimmerschiefer, Phyllit, dem Kalk, den Karen im Berg –
nur um immer wieder zurückzufinden
an den Fels,
die Wälder darunter,
die Hochplateaus
und Talsenken,
vorbei oder hinauf
an den Schutzhütten,
vierhundertfünfzig Jahre alten Almen und Höfen,
dieser Versuch,
diese Versuchung,
die Sehnsucht
nach den Unversehrtheiten,
-verrückbarkeiten,
einer Zeit, von der du denkst,
es hätte sie gegeben:
die Sommer
an der Haut,
die Nächte,
die tragen würden,
so weit, wie die Versprechen
reichten, die man sich gegeben
Dearest,
I will always wish you were close
irgendwann wird es wieder still werden
denkst du
wird sich dieses Toben legen
in den Wäldern
denkst du
manchmal
die Sprache hin auf ihren Klang
wägen
ihre Unvernunft
um aus dem Taumel,
den Tumulten herauszutreten
Via Lungo Adige
dem Fluss folgst du bis an die Mündung
Isola Verde
über Umwege wieder zurück bis
Ca' Zennare
die Beine müde von den Tagen im Sattel
und die Frage,
fährst du auf etwas zu
oder vor etwas davon
The worst is upon me
beginnt Hélène Cixous' Angst
oder
mit dem Fall eines Engels auf die Erde
Richard Obermayrs Das Fenster,
dessen Spur, die der Sturz aus dem Himmel
in der Landschaft hinterlässt,
Schneisen, von den Feldern im
Landinneren, bis an die Küste
glz. Küsse
Dearest,
I wonder, how much further
do you need to ride
to disappear entirely
Wie ich R. nenne, wenn ich nicht dort bin
Sehnsuchtsberge
Lebenskrümel
Lungenerholungsgärtchen
Jubelzimmertürmchen
Augustgestirn
Nachsommerbild
Sohlenbeet
und so weiter
Text: Frieda Paris und Christoph Szalay
Fotos: Frieda Paris