der hammer 55
Autorenalphabet: S: STANGL, Thomas
Aus dem österreichischen Autorenalphabet
S: STANGL, Thomas
April 2012
Ende November 2011 wurde dem Wiener Schriftsteller Thomas Stangl der Erich-Fried-Preis der Republik Österreich verliehen. Die zur alleinigen Jurorin des Preises bestellte Schriftstellerin Barbara Frischmuth hat ihre Wahl des Preisträgers auf beispielhafte Weise mit einer Laudatio begründet, in der sie ihr umfassendes, grenzüberschreitend politisches, ideengeschichtliches, religiöses und literarisches Wissen zur Geltung bringt und dieses zugleich in den Dienst des Preisträgers stellt.
Diese Lobrede versteht es, auf eine dem gewürdigten Erzählwerk des jüngeren Kollegen ebenbürtige Weise die existenziellen Brennpunkte literarischer Arbeit in das Bewusstsein zu rufen und ihre Einbettung in die Wahrnehmungsbedingungen und Gefühlstraditionen des menschlichen Da-Seins erkennbar zu machen.
Während in den Romanen Thomas Stangls die Lebenswirklichkeiten der Protagonistinnen und Protagonisten weitgehend auf Imagination und Fiktion beruhen, erzählt er für die Leserinnen und Leser dieser Ausgabe des Hammer erstmals von seiner Familie und ihrem Herkunftsort.
Gibt es die Wirklichkeit wirklich? Es scheint mir, die Romane Thomas Stangls sind ein einziger Versuch, diese Frage zu beantworten. Oder anders gesagt, sie stellen sie immer wieder und wieder, schieben sie auf, sodass sie nur mehr eine Differenz wird. – Das schreibt der französische Schriftsteller Jean-Michel Lou, mit dem gemeinsam Thomas Stangl am 10.5.2012 in der Alten Schmiede im Dialog und lesend den Phänomenen Orte, Übergänge und Abwesenheiten nachspüren und dabei u. a. auf Franz Kafka als literarischer Leitfigur Bezug nehmen wird.