der hammer 62
Die Dichter: Cliff, Mahić
Die Dichter: Cliff, Mahić
März 2013
Sie gehen in den Park, »wo einst im winter sang verlaine«, und hören dem Gesang eines Vogels zu, stets gehen sie dorthin, immer und immer wieder. Sie gehen ins Kino, in dem sie zu grüßen beginnen, sie grüßen Rom, Kindlein, Diebe, »Zwitschern vom Gipfel des Berges«, sie grüßen und grüßen. Sie schimpfen und rufen den bewundernswerten Alten »nur mut!« entgegen, diesen »lebendigen aus dem orden ausgetretenen gemälde(n)«. Sie sehen der »Dämmerung« zu, wie sie sich »Skier an die geschwollenen Füße« schnallt, um an einen Hund zu erinnern. Denn sie lieben den Hund und suchen die Liebe und nehmen über 500 Jahre alte Töne wieder auf, etwa den von François Villon, um im Gewande einer Maus ein bitteres Widerstandslied zu singen, das trotzig und ungläubig, aber mit Gewissheit sagen kann »sie lebt schon noch, die maus«.
Das alles tun sie, die Dichter, auch die beiden hier in diesem Heft vorgestellten, der hierzulande unbekannte große Dichter William Cliff und der bosnische Rhapsode Admiral Mahić, die von Belgien aus und von Sarajewo aus quer durch die Lande, Sprachen und Zeiten, von der Vergangenheit bis in die Zukunft, ziehen. Vielleicht könnte man sie beide als fahrende Sänger bezeichnen, beide haben auch hier in Wien in der Alten Schmiede einmal Station gemacht, und sie in diesem Sinne als Wort- und Bild- und Klangtransporteure, als Verdichter und Übersetzer sehen, in einem beinahe zeitlosen, gleichzeitig aber umso unmittelbareren, geradezu dokumentarischen, ja realistisch-konkreten Sinne. Die hier zusammenstehen, wie zwei Fremde, in deren Sprachen sich Vögel, Gefühle, Atmosphären, Überraschungen und Melancholien plötzlich viel zu sagen haben.
Michael Hammerschmid