der hammer 93
Elfriede Gerstl (1932–2009)
Elfriede Gerstl (1932–2009)
Dezember 2017
Am 16. Juni dieses Jahres wäre Elfriede Gerstl 85 Jahre alt geworden. Eine der wichtigsten österreichischen Schriftstellerinnen nach 1945, so fragil wie unerschrocken, hat sie ein poetisches Werk voll hintergründigem Sprachwitz und treffsicherer Originalität hinterlassen. Als jüdisches Kind hatte sie das Dritte Reich in Verstecken überlebt, in der Nachkriegszeit lange unter den spärlichen Publikationsmöglichkeiten und den hierarchischen Verhältnissen des Kulturbetriebs gelitten; in den 1970er Jahren wurde sie dann als Ausnahmeerscheinung in der österreichischen Literaturlandschaft wahrgenommen, ab den 1990er Jahren mit zahlreichen Auszeichnungen (darunter Georg-Trakl- und Erich-Fried-Preis) geehrt.
Seit 2012 wird eine Werkausgabe im Literaturverlag Droschl in Zusammenarbeit mit dem Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek herausgegeben; in den ersten vier Bänden sind sowohl die in Buchform als auch die verstreut publizierten Texte versammelt. Im Juni erschien der fünfte und letzte Band, herausgegeben von Christa Gürtler und Martin Wedl, der einen Blick in Gerstls Schreibwerkstatt erlaubt: Behutsam wurde eine Auswahl aus ihren nachgelassenen Texten getroffen, aus Lyrik, Prosa, Träumen und ›Denkkrümeln‹, ergänzt mit dem Abdruck wichtiger Interviews.
Ebenfalls im Juni fand in der Alten Schmiede eine Tagung statt, die sich den bisher noch wenig erforschten Aspekten von Gerstls Schreiben widmete. Eine Auswahl der Beiträge wird hier in Kurzfassungen vorgestellt: Manfred Glauninger setzt sich mit dem ›Wienerischen‹ bei Gerstl auseinander, Alexandra Millner mit ihren Hörspielen, Gisela Steinlechner würdigt das bisher unveröffentlichte Frühwerk und Katharina Serles untersucht die mediale Repräsentation von Person und Werk. Ein Interview mit Franz Schuh zum fünften Band der Werkausgabe und die Erinnerungen von Herbert J. Wimmer vermitteln Eindrücke von der unvergesslichen ›Untertreibungskünstlerin‹, ihrem präzisen, von jeder Autorität unbeeindruckten Denken und ihrer souveränen Ironie. Einige der noch unbekannteren Texte von Elfriede Gerstl sollen Lust machen auf weitere Lektüreentdeckungen in der Werkausgabe.
Konstanze Fliedl und Christa Gürtler