der hammer 108
Literatur und Hilflosigkeit
Literatur und Hilflosigkeit
Juni 2020
Schreiben gegen Hilflosigkeit, Schreiben als Ermächtigungsinstrument, das ist für die beiden Autorinnen, deren Essays Sie in diesem Hammer finden, zumindest einer der Gründe für ihre schriftstellerische Tätigkeit. »Schreiben heißt für mich überleben«, heißt es etwa bei Margit Schreiner.
Über die möglichen Gründe für das Lesen von Literatur stellt der Schriftsteller und Literaturtheoretiker Kenneth Burke (1897–1993) fest: »Dichtung wird tatsächlich zum Zwecke des Wohlbefindens des Lesers geschrieben […]. Man widmet sich ihr, weil man sie als Lebenshilfe nimmt, als einen rituellen Schutz gegen Hilflosigkeit und Gefährdung.« Lesen Sie, um sich gegen Hilflosigkeit und Gefährdung zu schützen? Und wie sieht es mit SchriftstellerInnen aus, also jenen, denen wir die Existenz von Literatur überhaupt zu verdanken haben – schreiben sie, um sich selbst zu schützen, gegen Hilflosigkeit und Gefährdung? »Hilflosigkeit bringt mich zum Schreiben«, reflektiert jedenfalls auch Sabine Scholl.
Bedeutet
das, die wichtigste liege im Trostspenden? Und welche Rolle spielt
dabei die Funktion von Literatur das kritische Potenzial, das wir an guter
Literatur oft schätzen, noch? Diesen und ähnlichen Fragen widmen sich
zwei Veranstaltungen, an denen die beiden Autorinnen mitwirken, in Wien
und und das Literaturforum Leselampe haben Margit Schreiner und, auf
deren Anregung hin, Gertraud Klemm und Sabine Scholl eingeladen, Texte zum Thema Literatur und Hilflosigkeit zu verfassen und diese gemeinsam zu diskutieren. Die Diskussionsabende – geplant für Ende März
2020 – werden nun nachgeholt: Am 6. Oktober diskutieren Margit
Schreiner und Gertraud Klemm in der Alten Schmiede, am 13. Oktober
Margit Schreiner und Sabine Scholl im Literaturforum Leselampe. Vorab
können Sie Gertraud Klemms Essay im Literatur-Blog der Alten Schmiede lesen; die
Texte von Margit Schreiner und Sabine Scholl finden Sie in diesem
Hammer. Sie können darin vom Freiraum einer Bibliothek, von der Nähstube
als Schrein der Hilflosigkeit und der Flucht vor einem Mammut lesen.
Johanna Öttl
(Quelle: Kenneth Burke: Dichtung als symbolische Handlung. Eine Theorie der Literatur. Suhrkamp 1966.)