der hammer 22
VOM LEBEN OHNE HALT
VOM LEBEN OHNE HALT
September 2007
Vom Leben ohne Halt erzählt Arno Geiger in kurzer prägnanter Prosaform. Der Bericht über die zunehmende Demenz seines Vaters gibt ein einzigartiges Zeugnis von einer großen Gabe zur minutiösen Beobachtung, von Geduld und Ratlosigkeit, von literarischer Gestaltungskraft und Sohnesliebe in einem. Einen guten Eindruck der unterschiedlichen Register von Arno Geigers Erzählkunst bietet der soeben erschienene Erzählungsband Anna nicht vergessen, aus dem der Autor am 25. September in der Alten Schmiede liest.
Im Ausschnitt des Romans Biss und Holler oder Die Getäuschten von Sabine Scholl
zeigt sich das Leben in einer durch Jahrhunderte bewahrten Tradition
nur scheinbar als gefestigt, die so behauptete Identität kann sich rasch
als zerbrechliche Illusion erweisen. Die Vorstellung, mit einer
filmischen
Dokumentation das Dorfleben der »Siebenbürger Sachsen« auch in seiner
Existenz sichern zu können, erscheint so plausibel wie naiv. Die
Romanheldin in Zwei Leben und ein Tag von Anna Mitgutsch schreibt
in Vorahnung ihres baldigen Todes mit rückblickenden Briefen nochmals
gegen das Zerbrechen und den Verlust des Familienzusammenhalts an. Billy
Budd, den unglücklichen jungen Seemann in der Erzählung des
amerikanischen Schriftstellers Herman Melville, sieht sie als
literarisches Pendant zu ihrem zutraulichen und arglosen Sohn, dessen
Scheitern in einem auf sich selbst gestellten Leben sie befürchtet.
Günther A. Höfler bespricht Anna Mitgutschs komplexen Roman.