Die Sichel 8

Die Sichel 8

Heft 8, Frühling 2023/3. Jahr
Vom Glück auf dem Feldherrenhügel. Austria as it is 2023 von Erwin Riess († 25.3.2023)

Nach Motiven von Charles Sealsfields
Austria as it is (1828)

Mea ois wia mia lautet das Gastlandmotto zum Österreich-Auftritt bei der diesjährigen Leipziger Buchmesse. Der Slogan – in offizieller Übersetzung als mehr als wir zu lesen – sei, laut künstlerischer Gastlandleiterin, als  »Gegenkonzept zum nicht nur in Österreich nach wie vor tief wurzelnden mia san mia« ersonnen worden und soll »auf den wahren Reichtum unseres Landes verweisen«, der bekanntlich »in seiner literarischen und kulturellen Qualität liegt«.
Dass kultureller Überbau den ökonomisch-politischen Unterbau ausnahmsweise auch kritisch widerspiegelt, wird das eine oder andere in Leipzig vorgeführte Kunstprodukt wohl belegen können. Um jedoch einige selten bis nie beleuchtete Fundamente des austriakisch-perfiden Keller- und  Fassadenbaus kohärent aufzuzeigen, haben wir für die vorliegende Sichel einen dafür mehrfach prädestinierten Autor eingeladen, in Anknüpfung an Charles Sealsfields legendäre Österreichbeschreibung über den Staat kritisch sich zu äußern, in dem sowohl der metternich sche als auch der nationalsozialistische Ungeist weithin noch verbreitet sind.
Seit über dreißig Jahren übt Erwin Riess in Form von Romanen, Theaterstücken, Essays, Polemiken und Glossen Fundamentalkritik an den politischen und ökonomischen Verhältnissen Österreichs mit Blickwinkel weit darüber hinaus und, auch als Rollstuhlfahrer, mit sarkastisch-humorvoller Sicht von unten auf stupid-reaktionäres Oben wie Unten, ohne dabei die Perspektive auf längst fällige soziale Veränderungen außer Acht zu lassen.
Über ein Jahrzehnt hat Riess auch die Zeitschrift der streit herausgegeben. An das für unser Thema aufschlussreiche, aber nur mehr antiquarisch erhältliche Heft Die Demolierung Österreichs oder Der Weg in den demokratischen Faschismus mit Texten von Peter Turrini, Michael Scharang, Elfriede Jelinek und Lutz Holzinger aus dem Jahr 1987 möchten wir an dieser Stelle erinnern, bevor wir Erwin Riess' Parcoursritt über den Wiener Kongress und die Erste Republik in die gegenwärtige Verluderung Österreichs zur Lektüre empfehlen. Erwins Wunsch, die alte Rechtschreibung beizubehalten, kommen wir dabei gerne nach.

Walter Famler

Aus erzwungener Untersicht - Zum Tod von Erwin Riess († 25.3.2023), Nachruf von Andreas Platthaus (FAZ)

Lesung Erwin Riess: Herr Groll und die Wölfe von Salzburg (4.10.2021)

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