der hammer 75
Barbara Köhler: Penelopes Gewebe
Barbara Köhler: Penelopes Gewebe
Mai 2015
Am 2. Februar 2015 setzte sich die deutsche Dichterin und Übersetzerin Barbara Köhler in der Alten Schmiede auf faszinierende Weise mit der Odyssee des als historische Person einmal behaupteten, einmal bezweifelten antiken Dichters Homer, dem Zentralwerk der abendländischen Literatur schlechthin, auseinander.
In detailgenauer Lektüre analysiert sie die wechselnden Erzählpositionen und zahllosen Wiederholungen der einzelnen Episoden und deren Abwandlung als eigentliche dichterische Kraft der 24 Gesänge des Epos. Dabei bildet Penelopes drei Mal erzählte Geschichte den zentralen Angelpunkt, zugleich den Gegenpol der patrilinearen Deutung des Geschehens, die in der Folge das tradierte Bild der Odyssee dominiert hat. [...]
Barbara Köhler deutet das Gewirr einzelner Erzählstränge, die unterbrochen, später fortgesetzt oder auch abgebrochen werden, als ein großes Gewebe der Diachronie, das immer wieder gelöst und dann zu neuen Bedeutungszusammenhängen geknüpft werden muss. Penelope erscheint dabei wie eine ältere Schwester der 2000 Jahre später 1000 und eine Nacht um ihr Leben erzählenden Schahrazad.
Die Frauen, in den männlich geprägten Interpretationen und Übersetzungen der Odyssee an den Rand gedrängt oder als Schuldige gebrandmarkt, gewinnen bei Köhler ihre Selbstständigkeit und Souveränität als handelnde Subjekte wieder.