der hammer 69
Poliversale. Lyrikfestival 2014
Poliversale. Lyrikfestival 2014
Mai 2014
Das Wort Poliversale könnte man als eine Chiffre verstehen, die
alles mit allem verbindbar erscheinen lässt. Ein universales Vermögen,
eine Utopie, eine sprachliche Utopie ließe sich darunter verstehen, das
alles sagbar und sangbar, ausdrückbar ist, mit den Mitteln der Poesie.
Und eine gesellschaftliche, dass dieses Sagen und Ausdrücken ganz
grundsätzlich zu einer Gesellschaft gehört, die sich tätig, findig,
mutig und neugierig nicht in irgendwelche Grenzen weisen lässt, sondern
stets weitersucht und sich immer neu erfindet.
Weite, Möglichkeiten, Offenheit, Verbindungen und Verbindlichkeit (nicht Verbindlichkeiten) wären somit der Ausgangspunkt im Ausgangswort, der Grundton, auf den dieses Festival gestimmt ist. Diese Utopie ist vermutlich in jeder Kunst, wenn auch in der Lyrik ganz besonders, angelegt. Ein Streben nach Erweiterung, nach Erforschung neuer Mitteln und Wege des Ausdrucks, der Wahrnehmung, des Menschen. Den dieser Utopie entgegenstehenden Pol bilden freilich die Bedingungen, das Erbe, die inneren und äußeren Zwänge, Zensuren, die Gewohnheiten, die Sprachen selbst, die Mechanismen von Gesellschaft und Körper und: die Möglichkeiten, das Temperament, das Wissen. Aus beidem, der mutiger Neugierde geschuldeten Erweiterung der sprachlichen Setzung und der genauen Wahrnehmung äußerer und innerer Grenzen entsteht letztlich Dichtung, die ihre Notwendigkeit erst gewinnt, wenn sie größte Offenheit mit größter Genauigkeit im Umgang mit Empfindungen, Prägungen und anderen Gegebenheiten paart. In dieser Spannung artikulieren alle zur Poliversale Eingeladenen Dichterinnen und Dichter ihre poetischen Sprechweisen. Dadurch spiegeln sie auch ganze Biographien des Schreibens und Lebens, (literatur)gesellschaftliche Verhältnisse wider, sind also ein Quell und eine Form, Aussage und Reaktion, Reflexion und Tat. Wir freuen uns besonders, dass wir Dichterinnen und Dichter aus allen vier Himmelsrichtungen und aus den verschiedensten (Sprach-)Kulturen wie aus dem Sorbischen, Slowenischen, Makedonischen, Australischen, Schottischen, Deutschen, Südtirolerischen und Italienischen innerhalb eines Monats hier in Wien in der Alten Schmiede (in der Brunnenpassage und in der Universität) begegnen dürfen, um mit ihnen und ihren Gedichten diese weiten Räume zu erkunden.
Michael Hammerschmid