der hammer 114
Zur Zukunft des Romans – Korrespondenzprojekt
Juni 21
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden Schriftsteller wie
James Joyce, Marcel Proust, Robert Musil oder William
Faulkner kreative Antworten auf die Krise, in welche die
Tradition des populären, literarisch hochstehenden
Romans (Balzac, Dostojewski, Fontane) nicht zuletzt
aufgrund der Entwicklung des Kinos zur großen Erzähl -
maschine geraten war.
Olga Martynova und Leopold Federmair fragten sich,
ob zu Beginn des »dritten Jahrtausends«, um mit Italo Calvino
zu sprechen, eine ähnliche Wende möglich, notwendig oder
vielleicht sogar im Gange sei – unter neuen Bedingungen, die
wiederum auf einen Medienwandel zurückgehen: Fernsehen,
Popkultur, Soziale Medien … (L. Federmair)
Leopold Federmair zählt mit seinem weitgespannten
literarischen (Übersetzer aus mehreren romanischen
Sprachen) und biografischen Erfahrungshintergrund
(Lebensjahrzehnte in verschiedenen Ländern in Europa
und Lateinamerika, seit 2006 in Japan) zu den Ausnahme -
erscheinungen der österreichischen Gegenwartsliteratur.
Mit der in Russland aufgewachsenen und literarisch
sozialisierten, seit 1991 in Deutschland lebenden und mittlerweile auf Deutsch schreibenden Schriftstellerin Olga
Martynovahat er im Mai 2019 eine Korrespondenz zu dem
beide gleichermaßen beschäftigenden Thema die Zukunft
des Romans aufgenommen.
In einem zweiten Schritt wurden die um eine Generation
jüngere österreichische Schriftstellerin Anna Weiden -
holzer und der deutsche Schriftsteller Robert Stripling
eingeladen, sich kommentierend und ergänzend in diese
Verstän digung einzuschalten.
In einem dritten Schritt wurde der wiederum einer etwas
älteren Autorengeneration angehörende Wiener Schriftsteller Peter Henischgebeten, seinen literarisch-gesellschaftlichen Erfahrungshintergrund in das Projekt einzubringen. Dies sollte vor allem in einem gemeinschaftlichen
Treffen im März 2020 geschehen. Durch die erzwungene
mehrfache Verschiebung konnte Henisch wegen einer
dringlichen anderen Verpflichtung seine Teilnahme an
dem vorerst brieflich weitergeführten
Projekt nicht fortsetzen.
Diese Ausgabe des Hammer bringt je einen Brief von
Leopold Federmair, Robert Stripling, Olga Martynova und
Anna Weidenholzer aus der Phase der brieflichen Zusammenfassungen des Projektes im Laufe des Jahres 2020.
Kurt Neumann, Johanna Öttl