Die Sichel 15

Die Sichel 15

Heft 15, Herbst 2025, 5. Jahr

Alles unter dem Himmel - Literatur aus China

Liang Hong: China in einem Dorf
Hu Sang & Lan Lan: Gedichte
Bao Jian: Die Frühlingsfest-Spruchbänder
Mo Yan: Warten auf Mose

Tianxia (天下, ausgesprochen: Tienchia) ist ein zentraler Begriff der klassischen chinesischen, insbesondere der politischen Philosophie und wird gemeinhin übersetzt als Alles unter dem Himmel. In seinem gleichnamigen Buch
schreibt Zhao Tingyang: »Das Konzept des Tianxia umfasste im alten China zahlreiche spirituelle Aspekte, etwa die zwischenmenschlichen spirituellen Beziehungen und die spirituellen Beziehungen zwischen dem Dao des Menschen
und dem Dao des Himmels. Tianxia ist aber auch das politische Ideal einer Weltordnung. (...) Die Globalisierung bringt nicht nur Veränderungen in politischer Hinsicht mit sich, sondern Veränderungen im Existenzmodus der Welt.
Bei der Vorschau auf eine zukünftige Welt benötigen wir eine ihr entsprechende Daseinsordnung, eine Ordnung, welche die Inklusion der Welt realisiert.« Tianxia ist eine Theorie, China eine Erzählung. Liang Hong beschreibt in
ihren literarischen Reportage-Essays China in einem Dorf die durch rapiden wirtschaftlichen Wandel verursachten sozialen Verwerfungen am Beispiel ihres Herkunftsortes in der Provinz Henan. Sie hält einer breiten Leserschaft in China eine beunruhigende Realität vor Augen, ausgehend von den Härten kollabierender ländlicher Dorfgemeinschaften als Resultat von großangelegten Stadtentwicklungskonzepten setzt sie sich kritisch mit den Sehnsuchtspotentialen einer konsumorientierten Massengesellschaft auseinander. Anlässlich der diesjährigen Literatur im Herbst erscheint ihr Buch in deutscher Übersetzung im Wiener Verlag Sonata Book.
Wolfgang Kubin, Übersetzter einer sechsbändigen Lu-Xun-Ausgabe, wird im Rahmen der China-Literaturtage der Alten Schmiede Lyrik von Hu Sang und Lan Lan vorstellen und im Rahmen eines Werkstattgespräches mit Schriftstellerinnen aus der Volksrepublik über den Einfluss Lu Xuns auf das zeitgenössische literarische Schaffen in China sprechen. In Ergänzung zu unserem Veranstaltungsprogramm ist in dieser Herbstsichel ein Essay von Bao Jian und ein Ausschnitt aus einer Erzählung des Nobelpreisträgers Mo Yan zu lesen.
Walter Famler

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