der hammer 137 / 2025
Haben und Gehabe
Haben und Gehabe. Über Herkunft und Klasse
November 2025
In seinen Arbeiten beschreibt der französische Soziologe Pierre Bourdieu, wie Kunstgeschmack, Lebensstil, religiöse und politische Vorstellungen mit einer sozialen Position verbunden sind. ›Distinktion‹ ist dabei ein zentrales Konzept – ein Verhalten, das Unterschiede zwischen sozialen Positionen herausstreicht. Man muss Bourdieus Arbeiten nicht gelesen haben und mit seinen Konzepten nicht vertraut sein, um Situationen zu kennen, in denen Zugehörigkeit zu oder Ausschluss aus Gruppierungen durch Distinktion hergestellt wird. Markiert wird so zum Beispiel die Zugehörigkeit zu Jugendgruppen oder Religionen, markiert werden aber auch Klassengrenzen: etwa durch die Art zu sprechen, sich zu kleiden, durch die Wohnungseinrichtung, durch das, was man gelesen hat, und vieles mehr.
Im Rahmen ihres Autorinnenprojekts Haben und Gehabe. Klasse und
Literatur hat Sabine Scholl Autorinnen und Autoren eingeladen, unter den
Aspekten von ›Herkunft und Klasse‹ über Literatur zu sprechen: Barbi
Marković, Kaśka Bryla, Magdalena Schrefel, Harald Darer, Anna
Gschnitzer, Verena Mermer, Eva Schörkhuber. Das Projekt ist, um einige
Beiträge erweitert, dokumentiert in dem Band Haben und Gehabe. Zu Herkunft und Klasse in der Literatur (Sonderzahl Verlag).
In ihrem
Vorwort weist Sabine Scholl auf die mögliche Unsichtbarkeit von
Distinktionsmerkmalen hin und nimmt dabei auf die Soziologin Hannelore
Bublitz Be zug: Diese spricht von der »sozialen Magie ver deckter
Praktiken«, die sozialen Aufstieg ermöglichen oder verhindern und als
habituelle Codes weiter gegeben werden. In Haben und Gehabe schreiben
Autor*innen über Klassenwechsel, Herkunftssprachen und Sprachwechsel,
die Verbindung von Chauvinismus und Klassismus; über das Putzen,
fragmentierte Arbeitswelten und lange Busfahrten zwischen Wien und Cluj.
In
diesem Hammer lesen Sie die beiden Texte aus der Abschlussveranstaltung
des Projekts: Sabine Scholl und Natascha Gangl haben mit je
unterschiedlichen literarischen Mitteln ihre eigene Erfahrung
klassenbezogener Herkunft und Stigmatisierung in Text gesetzt.Johanna Öttl