programm
99. Grundbuch der österreichischen Literatur seit 1945
Die Ausgangslage ist widersprüchlich: Dem klassischen Erzählanliegen, eine persönliche Entwicklungsgeschichte im regionalen und zeithistorischen Kontext zu erzählen, steht die Einsicht entgegen, dass nach dem Ende der Fiktionen und den Avantgarden des 20. Jahrhunderts eine solche Unternehmung anachronistisch erscheinen muss. Walter Pilar schlägt in seinem Lebenssee-Projekt aus dieser Aporie ästhetische Funken. So sind die insgesamt vier Bände seiner Gattungsgrenzen überschreitenden Arbeit aus den unterschiedlichsten Formen und Textsorten zusammengesetzt – visuelle Poesie, Lautdichtung, Dialektgedichte, narrative Passagen und Dokumentarisches –, die sich zu einem Patchwork ergänzen. Dessen charakteristische Stilmerkmale sind Collagetechnik und Wortschöpfungen, in denen hochsprachliche und dialektale Elemente in ein kontrastives Spannungsverhältnis gebracht werden.
F. Neuner
Walter Pilar, *1948 in Ebensee, gestorben 2018 in Linz. Autor, Zeichner, Performer, »KunstWandWerker & Rauminstallatör«. Lehrerausbildung, ab 1968 Performances, Aktionen, mit Franz Kienesberger und Peter Putz Bild-Text-Edition Der Traunseher. Bücher (Auswahl): Einbilder & Aussätze zur geistigen Umtagung (1981); klupperln & duesenjaeger (1982); An sanften Samstagen (1986); Eingelegte Kalkeier (1993); Lebenssee ~ Eine skurreale Entwicklungsromanesque (1996); 2002 der zweite Band Lebenssee ~ ~ Gerade Regenbögen (2002); W. P. in Krumau & anderswo: Achsen des Augenblicks (2007); Lebenssee ~ ~ ~ Wandelalter (2015); Lebenssee ~ ~ ~ ~ Wandelaltar (2018).
Ludwig R. Fleischer, *1952, Autor, Verlagslektor. Prosa, Schüttelreimepen, Bücher im und über den Wiener Dialekt. Zuletzt: Anamnesen. Erzählungen (2024).
Florian Neuner, *1972, Autor, Publizist. Mit Ralph Klever Herausgabe der Idiome. Hefte für Neue Prosa. Zuletzt: Bruckner Material (2024).