programm
Das Anwesende im Abwesenden und umgekehrt
DICHTERLOH
Nadja Küchenmeisters Gedichte umkreisen das Abwesende und erkennen in den Spuren der Gegenwart das Gewesene wieder, zwischen Gerade-noch-Berührung mit vertrauten Menschen und der stummen Sprache der Dinge.
Auch bei Volha Hapeyeva gibt es das Abwesende, den Geliebten und das abwesend anwesende Land, Belarus, und es gibt die Sprache, als eine Art Partnerin, die Einsamkeit zu benennen, Gemeinsamkeiten zu finden.
Bei Herbert Wimmer wiederum kommt eine andere Art Dialog mit Abwesenden und Gegenwärtigem in Gang: In jedem Gedicht werden in surrendem Spiel und mit augenzwinkerndem Ernst Sprach-Denkbewegungen moduliert und möglich gemacht.
M. Hammerschmid
Nadja Küchenmeister, *1981 in Berlin, Studium der Germanistik und
Soziologie sowie am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig; Gedichte,
Hörspiele. Arbeiten u.a. für den Rundfunk sowie Lehrtätigkeit an der
Kunsthochschule für Medien Köln. Bücher: Nachbild. 9 Gedichte (2009);
Alle Lichter (2010); Unter dem Wacholder (2014).
Volha Hapeyeva, *1982 in Minsk, ist Lyrikerin, Prosa-Autorin,
Übersetzerin und Linguistin. Zahlreiche Preise, Stipendien und
Festival-Teilnahmen. Bücher (Auswahl): Рэканструкцыя неба
(»Rekonstruktion des Himmels«, Gedicht, Drama, experimentelle Prosa,
2003); Сумны суп (»Traurige Suppe«, Kinderbuch, 2014); Camel Travel.
Roman (2021).
Herbert J. Wimmer, *1951 in Melk/NÖ, lebt in Wien. Gedichte, Prosa,
radiophone Werke, literatur- und filmkritische Schriften, bildnerische
Arbeiten, Performances; über 25 Bücher – u.a.: nervenlauf. prosa aus dem
gefährlichen alltag (1990); Elfriede Gerstl/H. W.: balance balance
(Gedichtauswahl Spanisch/Deutsch. Ü.: Olga Sánchez Guevara; 2020);
klärwerk. rezyklopädie der gegenwart (2020).
4.–11.5.
Lyrikfestival Dichterloh
Vielleicht ist es Zufall? In vielen Gedichten und Gedichtbänden des diesjährigen Festivals taucht die Dialektik von Anwesendem und Abwesenden und immer wieder auch die Frage des Abschieds auf. Keine Absicht in der Konzeption steckt dahinter, aber es ist dieses Aufflackern, das sich mit den aktuellen Fragen um Abschied und Distanz, möglicher und unmöglicher Nähe in der Corona-Pandemie verbindet. Das Gedicht aber vergegenwärtigt. Und sei es das Abwesende, Verlorene, Verabschiedete. Und es tut dies mit den Mitteln der Sprache, die bei Dichterloh wie jedes Jahr in den unterschiedlichsten dichterischen Formungen und Gestaltungen im Mittelpunkt steht. Zehn aus fünf Sprachräumen und sechs Ländern kommende Dichterinnen und Dichter zeigen in ihren jüngsten Gedichtbänden auf, welche Schichten und Nuancen von Existenz, Gesellschaft und Sprache mit dichterischen Mitteln freigelegt werden können.
Michael Hammerschmid
Konzept, Moderation und Programmtexte