zum festival 2013
Gender – tun und lassen
Die Debatten über Identitäten und Quoten, über schwache Männer und starke Frauen sind vielschichtig und -stimmig wie nie zuvor. Wie mächtig Sprache in diesem Zusammenhang ist, zeigt etwa die Tatsache, dass die Einführung des generischen Femininums (in diesem Fall die weibliche Anrede für alle Personen) an einer deutschen Universität mehr Diskussionen entfachte als jene um die Eintragung des dritten Geschlechtes (x), wie sie ab dem 1. November dieses Jahres in deutschen Reisepässen möglich sein soll.
Die Frage nach dem Verhältnis des biologischen zum kulturellen Ort der
Geschlechter(differenz) muss zwar immer wieder gestellt werden, sie
kann aber streng genommen, wie Judith Butler sagt, nie beantwortet
werden. In der deutschsprachigen Literatur stellt diese Frage kaum
jemand derart konsequent und virtuos wie der Schriftsteller, Musiker und
DJ Thomas Meinecke, der in seinen Romanen und Erzählungen den
Gender-Diskurs mit Pop, Mode, historischen Kippmomenten von Sexualität
und Identität sampelt, mixt, ausleuchtet – und dekonstruiert.
Mann und Frau
Selbstoptimierung,
Selbstverwirklichung, Brillanz oder Dauer-Entspannung: Mit inneren
Ängsten und äußeren Zwängen der heute Dreißigjährigen in einer
leistungsoptimierten Gesellschaft, in deren Beziehungen, im Konsum- und
Kommunikationsverhalten setzen sich u. a. die Journalistin Nina Pauer
und der Autor Philipp Schönthaler auseinander.
Und was sagte und sagt
uns die Mode über die kleinen und größeren Unterschiede und
Gemeinsamkeiten zwischen Männern und Frauen? Die
Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken hat sich mit dem Phänomen der
Mode als Zeichen- und Kommunikationssystem auseinandergesetzt.
Normen
»Von
allen Frauen im Bus bin ich die einzige, die ein Mann ist.« Emmanuelle
Bayamack-Tams Roman Die Prinzessin von. erzählt die Geschichte der
Transsexuellen Marie-Line, von seelischen Abgründen, sexuellen
Grenzerfahrungen und erzwungener Anpassung. Sabine Scholl beschwört in
ihrem emanzipatorischen Familienroman und Mütter-Sittenbild einen
Gründungsmythos, der auf Unterdrückung, Wut und Zorn basiert. Das Erfüllen und Brechen der Normen ist dabei immer existenziell.
Macht
Die
ehemalige Fußballerin und Sportfunktionärin Katja Kraus hat mit
»gescheiterten« Persönlichkeiten aus Politik, Sport und Medienbranche
gesprochen und daraus ein sehr persönliches Buch über die Menschlichkeit
im Scheitern gemacht. Mit Ulrike Diebold, Professorin an der TU Wien
und führende Expertin für Oberflächen von Metalloxiden, und der Wiener
Fotografin Aleksandra Pawloff wird sie über Macht und Misserfolg, über
weiblichen und männlichen Führungsstil und über Kommunikation reden.
Liebe
Oksana
Sabuschkos Roman Museum der vergessenen Geheimnisse ist ein Buch über
die Conditio humana, über Liebe und Tod, und darüber, was das auf
ukrainischem Boden bedeutet. Die iranischstämmige Amerikanerin Dina
Nayeri wird mit ihrem Debütroman, welcher auch vom Geschichtenerzählen
selbst handelt, den Lesereigen beschließen. Dem Ausspruch, dass
Geschichten nur etwas für kleine Kinder seien, wird darin heftig
widersprochen: »Was für ein kleines Mädchen gut ist, ist auch für eine
erwachsene Frau gut. Erwachsene Frauen brauchen bloß größere Portionen.«
Konzept: Christine Lötscher, Angelika Reitzer