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Abendland (2007)
Das Werk des österreichischen Schriftstellers Michael Köhlmeier ist so umfangreich wie vielschichtig ... und in diesem nahezu schillernd klugen Œuvre nimmt sein fast 800 Seiten umfassender Roman Abendland einen zentralen Platz ein. In diesem Prosawerk scheinen die großen Themen und wichtigen Figuren dieses Homme de lettres aufgehoben zu sein: Sebastian Lukasser, Köhlmeiers Alter Ego, erzählt die Lebensgeschichte des exzentrischen Mathematikers, Weltbürgers und Jazzfans Carl Jacob Candoris. Es entsteht nicht nur ein Panorama des 20. Jahrhunderts, sondern auch das Psychogramm einer berührenden Freundschaft. Köhlmeier berichtet von den erstaunlichen Zufällen in der Geschichte, den Ungerechtigkeiten in den Lebensläufen, von der Lust an der Liebe genauso wie am Betrug, es geht um die Frage, wie heimatliche Prägung und geistige Emanzipation sich bedingen, wie alles mit allem zusammenhängt bzw. die für den Literaten noch viel gravierendere Herausforderung, wie sich all das Zersplitterte der Welt zusammenhängend und sinnhaft erzählen lässt. In Abendland zeigt Köhlmeier, dass im Rückblick auf unsere Vergangenheit, mag sie noch so brüchig und blutig sein, doch eine Essenz des Humanen, eine abendländische Moral der Demut gegenüber dem Leben herauszulesen ist. Insofern ist dieser Roman wahrhaft ein Grundbuch der österreichischen Literatur.Carsten Otte
Schattenschweigen oder Hartheim. (1983)
Der einzelgängerische Schriftsteller Franz Rieger hat in seinem Romanwerk mehrfach das Thema der Beseitigung kranker und geschwächter Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus in der oberösterreichischen Euthanasieanstalt Hartheim thematisiert. In Schattenschweigen oder Hartheim beschreibt er mit beharrlicher Akribie, wie familiäre Wortlosigkeit rasch zu Hartherzigkeit und Gewaltbereitschaft führt, eine junge Frau zur Verrückten gemacht wird und in die Fänge einer zu Mord und Zerstörung aufgehetzten Gesellschaft gerät. Auch der Beobachter und Chronist dieses Geschehens berichtet nur mehr sich selbst, wird dem gesellschaftlichen Schweigen unterworfen. Alois Brandstetter erklärte 1995: »Ich halte Franz Rieger für den bedeutendsten lebenden oberösterreichischen Schriftsteller. In seinen Büchern sind Land und Landsleute am tiefsten, am ernstesten, am gerechtesten, am echtesten und am schönsten beschrieben.«Redaktion
Kühle Sterne (1997)
Welche Maßstäbe kann man anlegen an das Werk einer Autorin, die sich mit 23 Jahren das Leben nahm? Es scheint fast unmöglich, die Texte Hertha Kräftners nicht unter dem Vorzeichen ihres frühen tragischen Todes zu lesen, als das literarische Vermächtnis einer Un- oder Frühvollendeten, das deutlich den Stempel seiner kurz bemessenen Entstehungszeit zwischen 1946 und 1951 trägt: jener durch extreme Verwerfungen, Not, Verdrängung und Aufbruchsfantasien geprägten Nachkriegsatmosphäre, in der Hertha Kräftner in der literarischen Szene Wiens Fuß zu fassen begann. Wahrgenommen wurde sie vor allem als Lyrikerin, in ihren frühen Gedichten klingen die Einflüsse von Rilke und Trakl an, aber auch Célan, Paul Eluard, Benjamin Pérét oder Georg Heym sind wichtige Referenzen. ... Erst mit der 1997 von Gerhard Altmann und Max Blauelich besorgten Werkausgabe Kühle Sterne wurde Hertha Kräftners literarische Produktion in ihrer ganzen Vielfältigkeit, ihrer stimmlichen Prägnanz und zunehmenden Eigenständigkeit greifbar. Gedichte, Tagebucheintragungen, Romanentwurf, Kurzprosa, Erzählungen und Briefe sind hier, ihrem Entstehungsdatum folgend, unmittelbar nebeneinandergestellt, wodurch Leben und Werk der Autorin in der Art eines postumen Romans (Gerald Bisinger) lückenlos ineinander gespiegelt und verzwirnt erscheinen. Diese Herausgeber-Komposition, die sich eng an die Logik des Biografischen anlehnt, wurde durchaus auch kritisch wahrgenommen, heute, über zwei Jahrzehnte später, lässt sich ein neuer Blick auf die Kühlen Sterne Hertha Kräftners werfen. Gisela Steinlechner
Der Krückenkaktus. Erinnerungen an die Liebe, die Kunst und den Tod (2001)
Franz Schuh komponiert in seinem Buch Der Krückenkaktus mit leichter Hand Essays, Erzählungen und Gedichte in gemeinsamen Erzähl- und Reflexionsbögen. So entsteht ein einmaliges Kaleidoskop aus scharfsinniger struktureller Analyse, hintersinnig-vergnügten Analogiebildungen, hellwachen Beobachtungen, erzählenden Ausschmückungen banaler oder grotesker Episoden, von kleinen, aber auch längeren Gedanken- und Sprachspielen. Schuhs ironische Melancholie spricht über Last und Lust auf den unterschiedlichsten Ebenen des Lebens und löst dessen Vergeblichkeit in der Tat heiter gelassener literarischer Souveränität. Dieses Werk mit seinem skurrilen Titel zeigt von Franz Schuhs Büchern wohl am anschaulichsten die reich instrumentierten Register seines Denkens und Schreibens und eignet sich deshalb besonders, als ein Grundbuch der österreichischen Literatur gewürdigt zu werden.Redaktion
Das letzte Jahr (2006)
Vor allem in ihrer Prosa hat sich die 1929 im südmährischen Auspitz/Hustopeče geborene Ilse Tielsch, die 1945 zur Flucht aus der Tschechoslowakei gezwungen war, der Vertreibung der Sudetendeutschen in facettenreicher Weise gewidmet. Weder verklärende Heimaterinnerungen noch einseitige Opfermythen bedienend, befragen ihre Texte Begriffe wie ›Heimat‹ und ›Herkunft‹ kritisch und machen den Prozess des Erinnerns und Vergessens selbst zum Thema. So beobachtet auch in dem 2018 wiederaufgelegten Roman Das letzte Jahr (2006) die neunjährige Elfi Zimmermann, wie 1938, im Jahr vor Ausbruch des 2. Weltkriegs, das interkulturelle Zusammenleben in ihrem südmährischen Heimatdorf zusehends durch allseitige nationalistische Rhetorik und Ressentiments überlagert und schließlich durch offene Feindschaft verdrängt wird. Damit kondensiert Tielsch noch einmal, was sie u.a. mit Erinnerung mit Bäumen (1979), Die Ahnenpyramide (1980), Heimatsuchen (1982), Die Früchte der Tränen (1988) oder Die Zerstörung der Bilder (1991) begonnen hatte: ein kritisches literarisches Erinnerungsprojekt jenseits simpler Schuld- und Opfernarrative.Fermin Suter
Dokumentationsbände
der ersten 75 Grundbuch-Veranstaltungen sind 2007, 2013 und 2019 in der Buchreihe profile des Wiener Zsolnay Verlags erschienen.