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programm

Donnerstag, 19. Mai 2022

Erinnerungs- und Beobachtungsresonanzen

DICHTERLOH

19:00
Semjon Hanin aber nicht damit Russisch/Deutsch. Übersetzt von Anja Utler
Edition Korrespondenzen
Dolmetsch: Mascha Dabić
Luljeta Lleshanaku Die Stadt der Äpfel Aus dem Albanischen von Andrea Grill
Edition Lyrik Kabinett bei Hanser
Gespräch auf Englisch

Tastend und fragend und doch ganz unmittelbar nehmen uns Semjon Hanins Gedichte in rätselhafte, buchstäblich schräge Situationen mit und werfen u.a. mit den Mitteln der Allusion und Montage Fragen der Erkennis auf: Was ist erkennbar, wo sind wir, was passiert mit uns?

Semjon Hanin, *1970 in Riga; auf Russisch schreibender Dichter und Performance-Künstler an der Schnittstelle von Wort, Ton, Bild. Bücher (u.a.): Poetry (2005); Orbita: The Project (2018).

Luljeta Lleshanakus Gedichte öffnen einen weiten Raum der Erinnerung, in dem sie die Beziehungen zwischen den Generationen erkunden, Ablagerungen der Geschichte Albaniens aufgreifen und ihren Resonanzen bis in die Gegenwart des Ich folgen.

Luljeta Lleshanku, *1968 in Elbasan; ihre Familie war unter der Diktatur Enver Hoxhas starken Repressionen ausgesetzt. Acht Gedichtbände, u.a.: Kinder der Natur (2010), Negative Space (2018).


Lyrikfestival Dichterloh 16.–24.5.

Wie klingt Holz, das seinen Kontext zeigt und sich gleichzeitig aus diesem löst? Wie lässt sich der Naturzerstörung und den kapitalistischen Zwängen - dichterisch - begegnen? Was passiert mit Sprache, wenn sie den Anfechtungen von Gewalt und Krieg ausgesetzt ist und welche Stimme(n) kann sie dabei ausprägen? Und wie nahe kann (dichterische) Sprache an die Unwägbarkeiten und Essenzen von Liebe und Eros heran und was und wie erinnert sie uns? Das sind einige der elementaren Fragen, die sich durch die Gedichte der zehn Dichter*innen aus sechs Sprach- und Kulturräumen ziehen und die zeigen, wie sich die aktuelle Poesie sowohl mit jahrtausendealten als auch mit höchst brisanten oder gänzlich unerwarteten Themen auseinandersetzt und dabei unsere Sinne und Wahrnehmungsmöglichkeiten schärft und erweitert.

Dichtung ist ein staunenswertes Werkzeug der Erkenntnis. Sie vermag sich aus dem Gefüge der Logik, der Grammatik, der Einsprachigkeit, des Subjekts, aber auch der strengen Bindung ans Objekt zu lösen, was sie manchen verdächtig, anderen auf den ersten Blick schwierig erscheinen lässt. Doch ermöglicht es ihr gerade diese Freiheit und Neugierde beim Grenzüberschritt, festgefahrene Muster der Welt- und Wirklichkeitserklärung hinter sich zu lassen. Dichtung fordert weit aus dem Gewohnten heraus und sie steigt tief in die Strukturen von Denken, Sprache, Ich und Gesellschaft hinein. Dichterloh leuchtet uns diese nuanciert aus.

Michael Hammerschmid
Konzept, Moderation und Programmtexte