programm
Quecksilberlicht ist in seiner fragmentierten, mosaikartigen Anlage der formal wohl radikalste, inhaltlich vielleicht persönlichste Roman Thomas Stangls. Mit dem omnipotenten ersten Kaiser von China, den fantastischen Kollektivromanen der jungen Brontë-Geschwister, Recherchen zur eigenen Simmeringer Großmutter, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Bildung und sozialem Aufstieg träumt, oder Jugenderinnerungen an das Wien der 1970er Jahre entwirft Stangl eine Art versprengte Autobiographie – zusammengehalten von einer durch Zeiten und Figuren geisternden Ich-Perspektive. Das eigene Erzählen wird dabei stets aufs Neue hinterfragt, nüchtern im Ton, und doch mit einer Emphase, die aufs Ganze geht.
Thomas Stangl, *1966 in Wien. Romane, Erzählungen, Essays – zuletzt: Fremde Verwandtschaften. Roman (2018), Die Geschichte des Körpers. Erzählungen (2019), Über gute und böse Literatur. Korrespondenz über das Schreiben (gem. mit Anne Weber; 2022).