programm
Daniel Wisser
Eine der meistzitierten und am häufigsten missverstandenen Aussagen Jacques Lacans lautet: »La femme n’existe pas«. In Daniel Wissers Erzählungsband setzt sich die titelgebende erfundene Frau aus zweiundzwanzig Protagonistinnen zusammen; wir Lesenden nehmen an prägnanten Ausschnitten ihrer Leben Anteil, aus denen man Rückschlüsse auf ihre Biografien ziehen kann – die gerade in ihrer Lückenhaftigkeit berückend realistisch sind.
Ein Luftballon, übrig geblieben von Claudias Vierzigerfeier, verliert den Auftrieb, hängt zwischen Boden und Decke, schwebt halb, sinkt halb. Sie kriegt ihn nicht zu fassen. Diese tragische und lustige Flüchtigkeit ist aus Wissers Romanen bekannt – ebenso die Leichtigkeit und die einprägsamen Bilder. Die Literaturgeschichte ist voll von Männern, die sich Frauen ausdenken. Wissers Miniaturen bedenken das, sie setzen die erfundene Frau in Relation zu Staat und Gesellschaft, zu anderen Frauen. Und zu Männern, die schon mal Sigmund Freud gelesen haben – immerhin als Klolektüre.
J. Volkmann
Daniel Wisser, *1971. Lyrik, Prosa, radiophone Werke; Mitbegründer des Ersten Wiener Heimorgelorchesters; zuletzt (u.a.): Wir bleiben noch (2021).
Peter Clar, *1980, Schriftsteller, Literaturwissenschaftler mit Schwerpunkt österr. Gegenwartsliteratur. Mitbegründer der Poesiegalerie. Veröffentlichte (u.a.): Die Worte, sagst Du... (2018).