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Montag, 14. Februar 2022

Verzeichnisse der Anomalien

19:00
Mark Kanak Tractatus illogico-insanus Ritter Verlag
Stefan Schmitzer liste der künstlichen objekte auf dem mond gedicht. Ritter Verlag
Florian Neuner MODERATION

Im Tractatus illogico-insanus kollidiert das dem Wittgenstein’schen Tractatus entlehnte Ordnungsschema mit einem anarchischen Zugriff, der ständig Chaos in die Ordnung bringt. Mit Abschweifungen und Gedankensprüngen torpediert der Autor einen stringenten Aufbau und zerreißt rote Fäden. Theorie und die Parodie von Theoriebildung werden ununterscheidbar, Kalauer konterkarieren aphoristische Einsichten: »Sätze sind Kacke.« Kanaks Tractatus kann man von beiden Seiten aufschlagen und in einer deutschen und einer englischen Version lesen.
Wenn in der Dichtungstradition der Mond angerufen wurde, lag zwischen dem lyrischen Ich und dem Erdtrabanten bislang eine unüberbrückbare Distanz (»Ich auf der Erd’, am Himmel du«). Die überwindet Stefan Schmitzer in seinem Langgedicht und lenkt den Blick auf den Schrott, den – beginnend mit der sowjetischen Raumsonde Lunik 2 1959 – bisher 66 Mondmissionen angehäuft haben. Entlang dieses Inventars lässt sich die Geschichte der letzten sechs Dezennien schlaglichtartig rekapitulieren, die Fachsprachen fordern die dichterische Rede heraus.

F. Neuner

Mark Kanak, *1965 in Belleville/Illinois (USA), seit 2013 in Berlin; Autor, Übersetzer (u.a. Rolf Dieter Brinkmann), Hörspielmacher. Für Herbst 2023 ist eine Theaterinszenierung des Tractatus illogico-insanus geplant.

Stefan Schmitzer, *1979 in Graz. Lyrik, Prosa, Kritiken, Textperformances, u.a. mit der Musikerin Margarethe Maierhofer-Lischka. Zuletzt (u.a.): okzident express. Falsch erinnerte Lieder (2019).

Florian Neuner, *1972 in Wels, lebt in Berlin und Wien, Herausgeber der Idiome – Hefte für Neue Prosa; Kurator der Reihe maerz_sprachkunst in Linz. Zuletzt: Rost. Eine psychogeographische Expedition (2021).