programm
Weißräume
NEUE PROSA
In Mathias Müllers Birnengasse beginnt ein offen gehaltenes Wir eine Entdeckungsreise, die sich gleichermaßen in konkreten Räumen wie in Sprache vollzieht. Während die Räume an Komplexität gewinnen – vom Inneren eines Hauses zu Garten und Wildnis und in die Dichte einer Stadt –, wächst das Netz sprachlicher Korrespondenzen. In wendigen kleinen Erzählkernen setzt sich Birnengasse dem Verhältnis von Wörtern und Dingen auf die Spur und tut dies mit einladender Geste.
Die Ausdehnung des Weißraums auf den Buchseiten als Teil einer Poetik des Fragments: Bei Mathias Müller und Li Mollet sind die typografischen Freiflächen Teil des Textes. Li Mollets weiße Linien verlaufen zweifach: In Verse sind kleine Szenen aus der Gegenwart der Josefine O. gesetzt, einer stillen Beobachterin des eigenen Alterns und der wachsenden inneren Distanz zur Gesellschaft. Dazwischen Prosapassagen, in denen das lyrische Konzentrat zeitlich, räumlich und figürlich aufgefächert widerhallt. Den frei schwebenden Charakter dieser Passagen konturiert Li Mollet durch immergleichen Umfang und mathematisch bestimmte Zahl.
Mathias Müller, *1988 in Bludenz, studierte Komparatistik, lebt in Wien. Er ist Teil des Ilse-Aichinger-Hauses und des von Peter Waterhouse initiierten Übersetzer*innenkollektivs Versatorium (u.a. Charles Bernstein, Rosmarie Waldrop). Birnengasse ist seine erste Einzelveröffentlichung.
Li Mollet, *1947 in Aarberg (Kanton Bern), studierte Erziehungswissenschaften und Philosophie, lebt als Autorin in Bern. Ihre Texte bewegen sich zwischen Prosa und Lyrik – zuletzt: und jemand winkt (2019); Die Augen reiben. Fadenhaftung (mit Zeichnungen von Heinz Mollet, 2020).