programm
77. Grundbuch der österreichischen Literatur seit 1945
Der einzelgängerische Schriftsteller Franz Rieger hat in seinem Romanwerk mehrfach das Thema der Beseitigung kranker und geschwächter Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus in der oberösterreichischen Euthanasieanstalt Hartheim thematisiert. In Schattenschweigen oder Hartheim beschreibt er mit beharrlicher Akribie, wie familiäre Wortlosigkeit rasch zu Hartherzigkeit und Gewaltbereitschaft führt, eine junge Frau zur Verrückten gemacht wird und in die Fänge einer zu Mord und Zerstörung aufgehetzten Gesellschaft gerät. Auch der Beobachter und Chronist dieses Geschehens berichtet nur mehr sich selbst, wird dem gesellschaftlichen Schweigen unterworfen.
Alois Brandstetter erklärte 1995: »Ich halte Franz Rieger für den bedeutendsten lebenden oberösterreichischen Schriftsteller. In seinen Büchern sind Land und Landsleute am tiefsten, am ernstesten, am gerechtesten, am echtesten und am schönsten beschrieben.«
Weiterer Termin: 25.3., 19.30 Uhr, Stifter-Haus Linz
Franz Rieger, *1923 Riedau, 2005 in Oftering. Verfasste Romane (u.a. Die Landauer, 1974; Der Kalfakter, 1978; Internat in L., 1986; Der Orkan, 1993; Die unverzichtbare Ohnmacht, 1999), Erzählungen (Um ihn herum, 1995), Gedichte (Am Tor meines Mundes, 1994) und Hörspiele.
Reinhard Kaiser-Mühlecker, *1982 in Kirchdorf an der Krems; Studium der Landwirtschaft, Geschichte und Internationalen Entwicklung in Wien. Veröffentlichte u.a. sieben Romane, zuletzt Enteignung (2019).
Ulrike Tanzer, *1967 in Steyr, Professorin der Universität Innsbruck, leitet das Forschungsinstitut Brenner-Archiv. Forschungsschwerpunkte: deutschsprachige Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Gegenwartsliteratur, Glückskonzepte in der Literatur, Editionstechnik, Leseforschung.