programm
80. Grundbuch der österreichischen Literatur seit 1945
Ilse Tielsch nimmt nach Möglichkeit am Gespräch teil
Gemeinsam mit dem StifterHaus, Linz (Grundbuch-Veranstaltung am 10.5.)
Vor allem in ihrer Prosa hat sich die 1929 im südmährischen Auspitz/Hustopeče geborene Ilse Tielsch, die 1945 zur Flucht aus der Tschechoslowakei gezwungen war, der Vertreibung der Sudetendeutschen in facettenreicher Weise gewidmet. Weder verklärende Heimaterinnerungen noch einseitige Opfermythen bedienend, befragen ihre Texte Begriffe wie ›Heimat‹ und ›Herkunft‹ kritisch und machen den Prozess des Erinnerns und Vergessens selbst zum Thema. So beobachtet auch in dem 2018 wiederaufgelegten Roman Das letzte Jahr (2006) die neunjährige Elfi Zimmermann, wie 1938, im Jahr vor Ausbruch des 2. Weltkriegs, das interkulturelle Zusammenleben in ihrem südmährischen Heimatdorf zusehends durch allseitige nationalistische Rhetorik und Ressentiments überlagert und schließlich durch offene Feindschaft verdrängt wird. Damit kondensiert Tielsch noch einmal, was sie u.a. mit Erinnerung mit Bäumen (1979), Die Ahnenpyramide (1980), Heimatsuchen (1982), Die Früchte der Tränen (1988) oder Die Zerstörung der Bilder (1991) begonnen hatte: ein kritisches literarisches Erinnerungsprojekt jenseits simpler Schuld- und Opfernarrative.
F. Suter
Ilse Tielsch, *1929 in Auspitz/Hustopeče, Mähren, 1945 Flucht nach
Österreich, lebt in Wien. Erster Gedichtband 1964, seither Gedichtbände,
Erzählungen und Romane; im Zentrum ihres Schaffens steht die
Romantrilogie um das Leitthema Heimatverlust Die Ahnenpyramide
(1980/2019; Hörbuchfassung 2009), Heimatsuchen (1982/2019), Die Früchte
der Tränen (1988/2020). Ihr letzter Roman Das letzte Jahr bildet mit der
Trilogie eine thematische Einheit. Manchmal ein Traum, der nach Salz
schmeckt. Gesammelte Gedichte (2011). 2017 Franz-Theodor-Csokor-Preis
für das Lebenswerk.
Barbara Neuwirth, *1958, lebt in Wien und NÖ. Freischaffende
Wissenschaftslektorin und Schriftstellerin. Erzählungen und
Theaterarbeiten, u.a. In den Gärten der Nacht. Phantastische Erzählungen
(1990); Im Haus der Schneekönigin. Novelle (1994); Eurydike.
Theaterstück (2005); Helden, Heldin, Superhelden (2019).
Fermin Suter, *1984, seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum
für Museale Sammlungswissenschaften der Donau-Universität Krems; er
betreut an der Dokumentationsstelle für Literatur in Niederösterreich
u.a. das Werk von Ilse Tielsch.